Scham – Oh mein Gott wie peinlich!

Obwohl du dich am liebsten verstecken möchtest, im Boden versinken und unsichtbar werden willst, wird dein Gesicht, deine Ohren, dein Hals oder sogar das Dekolleté heiß und knallrot. Du willst unsichtbar werden, doch die Blutgefäße erweitern sich im Gesicht – gnadenlos. Du senkst den Kopf, das keiner bemerkt, dass du dich schämst.

Doch wer genau schämt sich? Und wofür?

Scham kann nur kommen, wenn du eine Idee davon hast, wie etwas oder jemand zu sein hat. Hast du keine Idee davon, wie du zu sein hast, wer könnte sich schämen? Ein Baby kann sich nicht schämen, denn es hat noch keine Vorstellung davon, wie es sein soll oder sogar sein muss, um richtig zu sein. Das Baby ist einfach! Es muss noch keine Masken aufsetzen. Es darf einfach schreien, wenn es Hunger hat, wenn es Schmerzen hat und sich nach Körperkontakt sehnt. Erst im Alter von eineinhalb bis zwei Jahren beginnt sich ein Persönlichkeits-Selbst zu bilden, eine Vorstellung von richtig und falsch.  

Es ist also ein Teil vom Masken-Selbst (die Überzeugung wie ich zu sein habe) das deinem Körper die Schamesröte ins Gesicht treibt. Wenn du dich mit dem Masken-Selbst identifizierst wird’s peinlich, schamvoll bis beschämend. Doch musst du dich damit identifizieren?

Wenn du beginnst, dich selbst immer mehr als formloses Bewusstsein und allumfassende Liebe zu erkennen, passiert vielleicht auf der Geist-Körper-Kostüm-Ebene noch Scham, aber du identifizierst dich nicht mehr damit. Du spürst, dass du viel größer bist als jede Scham. Und schon bist du frei von Scham, auch wenn sie in deinem Geist-Körper-Kostüm stattfindet.

Scham kommt für die meisten Menschen auch nur in Gesellschaft anderer vor. Wenn du alleine bist, wozu solltest du dich schämen? Es ist niemand da, der deinen angeblichen Fehltritt mitbekommt. Also bleibt dein Geist-Körper-Kostüm ruhig. Keine Hormon-Welle flutet deinen Körper, um die Schamesröte zu erzeugen. Doch sogar hier gibt es Menschen, die so starke Überzeugungen in ihrem Masken-Selbst tragen, dass sie sich sogar für einen angeblichen Fehltritt schämen, obwohl keiner da ist, der das mitbekommen hat. Faszinierend, oder?

Für das Masken-Selbst macht es meist einen bemerkenswerten Unterschied, wie groß die Gemeinschaft der Zuschauenden und wie wichtig dieses Publikum ist, das die schamvolle Situation beobachtet. Je größer das Publikum, desto stärker die gefühlte Scham-Reaktion. Je wichtiger das Publikum für das Masken-Selbst ist, desto intensiver wird die Scham erlebt.

Das Persönlichkeits-Selbst will Scham verbergen und wenn dies nicht gelingt, schämt sich die Persönlichkeit doppelt. Was für ein großartiges Spiel, das hier im formlosen Bewusstsein geschieht. Beispielsweise lässt uns die Angst zu versagen, verurteilt oder bloßgestellt zu werden, Dinge erst gar nicht tun, Ideen erst gar nicht zu verwirklichen oder Pläne erst gar nicht schmieden – bloß um eine Blamage zu vermeiden.

Das Leben ist pulsierende Kreativität. Schau dich um, und du siehst ein Feuerwerk an Kreativität in jedem Moment. Wahre Kreativität geschieht aus dem Moment heraus und hat keine Ansprüche ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Das Persönlichkeits-Selbst jedoch hat ganz genaue Vorstellungen davon, wie das Ergebnis zu sein hat. Entspricht das Ergebnis nicht dem gewünschten Ziel, kann Leid und unter Umständen auch Scham im Geist-Körper-Kostüm erscheinen.

Nur unser Persönlichkeits-Selbst empfindet Scham. Sowie Verliebtheit, Ekel, Wut, Angst, Trauer auch nur für unser Persönlichkeits-Selbst existieren. Als wahrnehmendes Bewusstsein bist du frei von Emotionen,  auch wenn sie in deinem Körper-Geist-Kostüm erscheinen.

Scham braucht eine Identifikation mit den eigenen Persönlichkeits-Ansprüchen: „So muss etwas sein!“ oder „So soll etwas keinesfalls sein!“ und den Abgleich mit dem, was gerade geschieht. Stimmen IST und SOLL nicht überein, kommt es zur Scham.

Scham braucht auch die Fähigkeit, mit den Augen der anderen zu schauen. „Ich weiß genau, was der andere jetzt über mich denkt. Ich bin ja wirklich zu blöd dafür….“ Doch können wir wirklich wissen, was der andere gerade jetzt denkt und fühlt?

Wir meinen entblößt zu sein, wenn wir uns schämen, doch weckt die sichtbare Scham beim Betrachter in Wahrheit unterschiedliche Gefühle und erstaunlich oft sind es Mitgefühl und Sympathie. Die Scham signalisiert, dass wir den eigenen Fehltritt sofort erkannt haben und ihn am liebsten rückgängig machen würden.

Doch im Feld des formlosen Bewusstseins gibt es keine Scham, da es keine Polarität mehr gibt, kein richtig, kein falsch. Scham zeigt dir, wo du dich noch stark mit dem Geist-Körper-Kostüm identifizierst. Blamieren kann sich nur das Persönlichkeits-Selbst und in Wahrheit blamiert das Persönlichkeits-Selbst sich selbst. Dieses absurde Spiel hält Menschen davon ab, ihrer eigenen Energie den Freiraum zu lassen, eine Vision zu manifestieren, ein Talent aus dem Sein frei fließen zu lassen oder einfach zu sein.

Hör auf dem Persönlichkeits-Selbst so viel Aufmerksamkeit zu schenken und bleib` dein wahres Selbst, das alles enthält.

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